Kürzlich erhielt ich ein Gratismuster eines neuen Biers: «Uszit»-Bier steht auf der Dose. Abgebildet ist ein Baumstamm und der Satz: «Schützt den Schweizer Wald».
- ✔️ Bier aus der Schweiz - lokal mag ich!
- 🌲 Sich betrinken und Gutes tun für den Wald - yes!
- 🙈 Moment. Wirklich?
Die Dose hinterlässt einen bitteren Nachgeschmack. Zum Glück ist es nur ein kleines Muster, so dass das Nachdenken noch einigermassen funktioniert: Irgendwie scheint mir die Aufmachung zu poliert, als dass sie von einer kleinen Schweizer Craft Brauerei stammen könnte. Und was hat eigentlich eine Bierdose mit dem Wald zu tun?
Wer steckt dahinter?
Ich suche nach Hinweisen auf der Dose. Als Produzentin ist eine SwissBeverage AG aus Rheinfelden aufgedruckt. Gemäss Firmenindex hat sie die gleiche Adresse und ähnliche Personen im Verwaltungsrat wie Feldschlösschen. Also steckt die Grossbrauerei Feldschlösschen hinter dem Uszit-Bier. Und diese gehört bekanntlich zur riesigen Carlsberg Group. Also so viel zum kleinen, lokalen Schweizer Craft Bier.
Gross gleich böse?
Als ich das Thema in einer Runde beim Bier mit Freunden aufbringe, fällt die Bemerkung: «Gross heisst doch nicht immer gleich böse! Und besser sie tun etwas für die Nachhaltigkeit als gar nichts!»
Mir wird unterstellt, ich sei ein linker Gegner der kapitalistischen Marktwirtschaft. Hmm. Bin ich nicht als Unternehmer ganz froh über einen freien Markt? Doch das mit dem Kapital ist tatsächlich eine schwierige Sache. Diesen Teil hat Marx wohl schon richtig gesehen: Den Eigentümern geht es in der Regel nicht primär darum, den Wohlstand der Bevölkerung zu verbessern oder, wie er vielleicht heute sagen würde, den Schweizer Wald zu schützen. Es geht darum, das investierte Kapital durch Gewinne zu vergrössern. Dem können sich auch Carlsberg, Feldschlösschen und das Uszit-Bier nicht entziehen. Die Mitarbeitenden und sogar die Geschäftsleitung haben keine Wahl und müssen schliesslich der Kapitalvermehrung dienen.
Das hat nichts mit der Grösse von Carlsberg zu tun. Auch eine kleine AG muss das Kapital der Aktionäre vermehren. Das ist die Art, wie ein grosser Teil unserer Marktwirtschaft funktioniert. Ein anderes System konnte sich bisher nicht durchsetzen.
Marktversagen
In einem freien Markt können sich die Konsumenten entscheiden, welche Produkte sie kaufen. Dazu brauchen sie verlässliche Informationen. Wenn also jemand ein Bier kaufen möchte, das von einem kleinen, lokalen Brauer mit Fokus auf Nachhaltigkeit produziert wird, so sollten Informationen dazu beim Kauf verfügbar sein.
Und da spielt eben die Grösse der Unternehmung dann doch eine Rolle: Bei einem kleinen Unternehmen aus der Region ist es einfacher festzustellen, ob das, was die Verpackung vermittelt auch wirklich der Realität entspricht. Wenn nicht, so wird sich das bald am lokalen Stammtisch herumsprechen.
Beim Uszit-Bier wird es dem Konsumenten besonders schwierig gemacht, ein Gefühl für die wahren Hintergründe zu entwickeln. Erstens das verschachtelte Firmenkonstrukt mit Tochterfirma einer Tochterfirma, um die Namen Feldschlösschen und Carlsberg zu verbergen. Zweitens wird ein enormer Aufwand betrieben für eine ausgeklügelte Marketingkampagne, damit der Konsument glaubt, dass er mit jedem Schluck sein grünes Gewissen auffrischt.
Für die Vermarktung wurde das Ringier Brand Studio beauftragt. Sie finden ihre Arbeit selbst so toll, dass sie uns mit einem Making-of gleich vertiefte Einblicke in die Uszit-Kampagne liefern.
🤢 Mir wird übel, wenn ich das anschaue. Solch dick aufgetragenes Marketing lässt erahnen, welch Kraftakt nötig ist, um aus einer Carlsberg-Bierdose eine Naturschützerin zu machen.
Inmitten dieser Bäume voller Ablenkung sieht der Konsument den Wald nicht mehr. Das Carlsberg-Bieruniversum als Anbieterin weiss viel mehr als der Konsument. Wir haben es mit Informationsasymmetrie zu tun. Das Risiko ist hoch, dass beim Uszit-Bier diese Asymmetrie ausgenutzt wird. Das Geld fliesst vor allem ins Marketing und zu den Aktionären von Carlsberg. Ganz wenig landet beim Schweizer Wald und die vermeintlich kleine, lokale Bierbrauerei gibt es gar nicht. Der Konsument erhält mit der Dose nicht die Nachhaltigkeit und den regionalen Bezug, den er eigentlich wollte. Es handelt sich um Marktversagen.
Was tun?
Was zu tun ist hängt davon ab, was wir wollen. Hier eine persönliche Entscheidungshilfe:
Du willst einfach Bier, Region und Wald sind dir egal? Kaufe am besten ein Multipack direkt von Feldschlösschen oder Carlsberg, denn die sind weit mehr als 5 Rappen pro Dose günstiger als das Uszit-Bier.
Du willst gutes Bier? Alles, was Aktionäre irgendwo auf der Welt abzweigen, fehlt als Qualität in deinem Glas. Alles, was im Marketing landet, ist Verschwendung. Du bezahlst dafür, das Bier wird aber nicht besser. Also sicher kein Uszit-Bier. Am besten kaufst du von einem mittelgrossen Familienbetrieb mit ein paar wenigen Angestellten. Diese bieten konstante Qualität und allfälligen Gewinn investieren sie wieder in den Betrieb. Wenn die Qualität abnimmt, gehe vorbei und informiere dich, was passiert ist. Wahrscheinlich wurde das traditionelle Handwerk aufgegeben und die Produktion in eine Grossbrauerei verschoben. Dann kaufe die alte Brauerei und mache mit deinen Freunden ein eigenes Craft Bier für die Region.
Du willst lokale Bierkultur? Finde Bierbrauer in der Umgebung mit Leidenschaft für das Handwerk. Informiere dich über die individuellen Geschichten. Werde Teil davon und helfe mit, dass die Geschichten weiter gehen.
Du willst viel Wald? Trinke eine Dose Bier weniger und investiere die 2 Franken in ein Waldprojekt. Den Umweg über Uszit-Bier kannst du dir sparen. Du müsstest 40(!) Dosen davon trinken, damit Carlsberg 2 Franken von deinem(!) Geld für den Wald abgibt.
Foto Carlsberg Bierdosen im Wald von Ella Baxter