Orte des Lernens

Ein Schulzimmer, irgendwo in Deutschland
Ein Schulzimmer, irgendwo in Deutschland

Erstaunlich, wie unsere Gesellschaft vermutet, dass Lernen vor allem im Klassenzimmer geschieht. Das Klassenzimmer ist ein Ort, der optimiert ist für den Wissenstransfer zwischen einer Lehrperson und einem Publikum. Natürlich kann Lernen dort stattfinden, aber es ist kein Geheimnis, dass viele der dort anzutreffenden Lernformen nicht besonders effektiv sind.

Was noch dazu kommt: Das Klassenzimmer schafft es mit grosser Zuverlässigkeit, neugierige und lernfreudige Kinder innerhalb weniger Jahre in abgestumpfte und passive Lernende zu verwandeln.

Wie lange noch?

Dass Lehrer als Quelle des Wissens zwischen Wandtafel und Lehrerpult stehen und Schulstoff mit einer Gruppe von Gleichgeschalteten teilen, hat noch nie zu uns Menschen gepasst und passt jetzt nicht einmal mehr zur Zeit, in der wir leben.

Wir werden als Gesellschaft wohl noch so lange am bisherigen System der Schule festhalten, bis uns irgendwann die Kosten zu hoch und der Nutzen zu gering werden. Das ist möglicherweise bald der Fall. Der soziale Schmerz ist schon längst spürbar, weil sich die Technologien weiterentwickelt haben, während die Schule mehr oder weniger gleich geblieben ist (siehe folgende Grafik aus dem OECD Lernkompass 2030).

Die Spannung zwischen technologischem Wandel und stagnierender Bildung wird zum sozialen Schmerz (aus OECD Lernkompass 2030)
Die Spannung zwischen technologischem Wandel und stagnierender Bildung wird zum sozialen Schmerz (aus OECD Lernkompass 2030)

Lernen befreien

Ich bin überzeugt, dass es die Schule, wie wir sie kennen, nicht mehr lange geben wird. Ohne grundlegende strukturelle Änderungen ist die Schule in einem Zustand dauernder Überforderung. Noch suchen wir die Lösung aber am falschen Ort:

Anstatt wieder einmal das Klassenzimmer sanft zu reformieren, sollten wir das Lernen ganz aus dem Zimmer und sogar aus der Schule befreien.

Längst im 21. Jahrhundert und das Lernen wird immer noch im Klassenzimmer eingesperrt.
Längst im 21. Jahrhundert und das Lernen wird immer noch im Klassenzimmer eingesperrt.

Der technologische Fortschritt ist dabei einerseits Treiber aber auch Ermöglicher von mobilen Formen des Lernens. Das Lernen muss nicht mehr im Zimmer mit Gleichaltrigen und mit Taktung durch eine Lehrperson stattfinden. Die Schüler werden die Kontrolle für ihr Lernen übernehmen (müssen). Wenn man sie lässt, so ist etwas vom Ersten, das sie tun werden, das Lernen aus dem Klassenzimmer hinaus zu tragen. Das Klassenzimmer ist kein inspirierender Ort.

Von Könnern lernen

Begleitung und Strukturen wird es brauchen. Aber das Wissen werden sich die Schüler nur noch selten von Lehrpersonen holen. Sie lernen von digitalen Helfern, voneinander und vor allem von Könnern. Lehrer sind auch Könner – sie sind Könner im Gebiet des Lernens, wenn sie selber lernen und ihr Lernen für andere sichtbar machen. Für alles andere gibt es Leute in der Gesellschaft, die nicht nur davon erzählen, sondern es tatsächlich praktizieren.

Damit Schüler von Könnern lernen können, gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder die Könner verschieben ihre Arbeit in die Schule und lassen sich bei ihrer Tätigkeit beobachten oder die Schüler gehen raus aus der Schule und treffen die Könner dort, wo sie heute schon sind.

Grenzen verschwinden

Das Klassenzimmer als Lernort ist das, was uns über die letzten 150 Jahre nützlich schien. Sich andere Orte und Strukturen für das Lernen vorzustellen, fällt uns schwer. Doch die Spannung von Schule zur sich wandelnden Welt werden wir nur dann lösen können, wenn wir Grenzen und Mauern abbauen. Erst wenn wir die Tore der Schule in beide Richtungen öffnen, wird sich das Lernen mit der Gesellschaft verbinden und dadurch relevant bleiben.

Wenn sich auch Erwachsene, zum Beispiel Eltern und Könner, in der Schule wohl fühlen, so wird sich irgendwann ein ganzes Dorf an der Bildung der Kinder beteiligen. Und wer weiss, vielleicht gelingt es gar, dass auch die Erwachsenen ihre Freude am Lernen wieder entdecken und ein Leben lang nicht mehr mit Lernen aufhören wollen.


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